Der Nutri-Score aus Sicht einer Diätologin

Der Nutri-Score stammt aus Frankreich und kennzeichnet Lebensmittel anhand ihres Nährwertprofils mit Buchstaben und Ampelfarben. Die Einteilung erfolgt mit Hilfe eines Bewertungsalgorithmus. Hier erfährst du, wie ich als Diaetologin zu dem Ampelsystem für Lebensmittel stehe und zeige dir seine Chancen und Risiken auf.

NutriScore

WAS GENAU IST DER NUTRI-SCORE?

Der Nutri-Score ist eine fünftstufige Skala mit einer Kombination aus Buchstaben und Farben, die an eine Ampel erinnert. Die Kennzeichnung gibt eine Gesamtbewertung des Lebensmittels an. Dadurch soll es uns Konsumenten helfen, Lebensmittel besser einteilen zu können und so unsere Ernährungsverhalten ausgewogener und gesünder zu gestalten. Das klingt im ersten Moment, gar nicht einmal so schlecht. Der Berechnungsalgorithmus muss jedoch beachtet werden.

WIE WIRD DER NUTRI-SCORE BERECHNET?

Der Score bezieht sich auf 100 g (ml) eines Lebensmittels und beinhaltet günstige, sowie ungünstige Nährwerte. Zu den günstigen Werten gehören Ballaststoffe, Protein, Obst, Gemüse, Nüsse. Als Gegenspiele werden Energie (kcal), gesättigte Fettsäuren, Gesamtzucker und Salz angeführt. Die Portionsgröße wird dadurch nicht berücksichtigt. Weiters wird keine Unterscheidung bzgl. der Zuckerquellen gemacht. Ob das Lebensmittel nun natürlichen Zucker (Fruchtzucker im Obst oder Milchzucker in Milch und Milchprodukten) und/oder zugesetzten Zucker beinhaltet, kann durch den Score nicht abgegrenzt werden. Dafür müsste man die gute alte Zutatenliste lesen und die komisch klingenden Begriffe verstehen können. Ein Wissen, dass meist viel Übung im Ernährungsbereich erfordert.

In der Berechnung erhalten ungünstige Nährwertelemente Plus-Punkte und günstige Werte Minus-Punkte. Das Gesamtergebnis kann zwischen -15 und +40 Punkten liegen. Je weniger Punkte ein Lebensmittel aufweist, umso hochwertiger („gesünder“) ist das Nährwertprofil.

FREIFAHRTSCHEIN FÜR PANIERTES?

Hier ein Vergleich zweier panierter Produkte: Produkt A – Fischstäbchen mit Vollkornpanier (Nutri Score A) und Produkt B – herkömmliche Fischstäbchen (Nutri Score C).

Die Zutatenlisten starten ident mit 65 % Alaska Seelachs (Filet), danach unterscheiden sich die Produkte durch den Vollkornanteil in der Panier (Produkt A) und dem Zusatz von Gewürzen und Stärke (Produkt B).

Durch die ähnlichen Zutaten, ist es nicht verwunderlich, dass die Nährwertangaben sich nicht großartig unterscheiden. Hier fallen lediglich zwei Punkte auf: der Ballaststoffgehalt und die Angabe der Omega-3-Fettsäuren. Dass das Produkt A mit dem Vollkornanteil einen höheren Ballaststoffgehalt hat, ist nachvollziehbar. Warum sich aber der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren ändert, ist nicht ersichtlich. Bis dato habe ich leider noch keine Rückmeldung von dem Unternehmen erhalten, um diese Frage zu klären.

Vergleicht man die beiden Fertigprodukte mit einem 100 g Seelachs (verzehrbarer Anteil), dann fällt aus v.a. der geringere Fettgehalt auf. In beiden Produkten wird bereits Rapsöl als Fettquelle zugesetzt. Das Fett für die Zubereitung ist hier noch nicht berücksichtigt.

Die Nutri-Score Angaben A und B zeigen ein positives Bild. Verglichen mit dem Naturprodukt, können sie aus ernährungsphysiologischer Sicht aber dennoch nicht mithalten.

DIE AMPEL FÜRS GUTE GEWISSEN.

Ich finde den Grundgedanken nicht schlecht, dass man den Konsumenten auf einen Blick die Inhaltsstoffe verständlich machen will. Nun folgt das Aber. Wir verlassen uns dabei wieder nur auf die Bewertung der Produzenten. Fakt ist, dass der Nutri-Score von jedem Hersteller selbst berechnet wird. Gesetzliche Kontrollen sind aktuell nicht bekannt. Die Kennzeichnung erfolgt zudem freiwillig. Was sagt uns das?

Ein positiver Punkt ist mir trotzdem untergekommen. Es dürfen nicht nur „gesunde“ Produkte“ mit dem Score deklariert werden. Verwendet ein Unternehmen das Modell, muss es auf alle Lebensmittel angewendet werden, die unter einer Marke verkauft werden.

Aus diaetologischer Sicht kann ein Ampelsystem niemals eine ernährungsphysiologisch sinnvolle Bewertung auf das gesamte Essverhalten liefern. Einzelne Produkte separat zu bewerten, macht für mich keinen Sinn. Unser Essverhalten und Lebensstil ist so individuell und situativ unterschiedlich. Es kommt immer auf das große Ganz an.

Nach wie vor ist die Menge, die wir zuführen entscheidend. Uns ist allen bewusst, dass kiloweise Schokolade, Chips und Limonaden nicht gesundheitsfördernd sind, eine rote Ampel soll uns aber nicht den Appetit drauf nehmen. Der Genuss darf auch hier nicht zu kurz kommen! Und so sollen diese Lebensmittel genauso Platz in einer ausgewogenen Ernährung finden.

MEIN FAZIT.

Als Kinder haben wir gelernt nach rechts und links zu schauen, bevor wir über die Straße gehen. Auch, wenn eine Ampel grün zeigt, heißt es nicht, dass nicht doch jemand die Verkehrsregeln missachtet. Der Nutri-Score kann meiner Meinung nach eine Hilfestellung sein, jedoch ist er kein Garant für eine ausgewogene und nachhaltige Ernährungsweise.

ÜBER DIE AUTORIN.

Petra Eberharter, BSc MSc nutr. med.
Diaetologin
Ernährungsmedizinische Beratung und Therapie
www.diaetologie-eberharter.at

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