Weils eh schon egal ist

Hast du schon einmal versucht, deine Essgewohnheiten zu ändern, nur um am Ende in einem Ess-Marathon zu landen, der alles zunichtemacht? Du bist nicht allein! 
Wir kennen es doch alle: den Gedanken, dass es mit genug Disziplin endlich funktionieren wird und wir werden unsere Diät beibehalten und Gewicht verlieren. Verrückterweise haben die meisten von uns schon mehrmals die Erfahrung gemacht, dass es trotz großer Bemühungen einfach nicht funktioniert. Ständig kommt einem der “eh schon egal” Gedanke in die Quere. 
 
Und jetzt? Nächstes Mal muss noch mehr Disziplin her, noch strengere Regeln, noch mehr Druck?
 
 
Du denkst, du zählst einfach nicht zu den Personen, die eine Handvoll Chips, ein paar Stückchen Schokolade essen können? Bei dir muss es dann alles sein, alles oder nichts? Entweder ganz oder gar nicht. 
 
 
Aber warum tickst du so? Um das alles zu verstehen, werfen wir einen Blick auf das klassische Preload-Experiment von Herman & Mack aus dem Jahr 1975. Hierbei wurde untersucht, wie sich die Nahrungsaufnahme bei unterschiedlichen Typen von Esser:innen auf das Essverhalten auswirkt. Die Ergebnisse waren faszinierend und zeigen woher der eh schon egal Gedanke kommt.

Der Blog als Podcast:

Auszug aus dem Buch Food Feelings, Seite 60

Das Preloadexperiment von Herman & Mack (1975) war eines der ersten Experimente, die die Auswirkung von Nahrungsaufnahme auf das Essverhalten systematisch bei verschiedenen Typen von Esserinnen (gezügelt / nicht gezügelt) untersuchte. Ohne zu wissen, dass es sich bei dem Experiment um Essen drehen würde, nahmen 45 Studentinnen an der Untersuchung teil. Den Studienteilnehmerinnen wurde erklärt, dass es bei dem Experiment um die sensorischen Empfindungen beim Essen gehen würde, sowie die nachfolgende Auswirkung auf die Bewertung eines weiteren Geschmackserlebnisses. Auf Basis eines Fragebogens wurden die Teilnehmerinnen zu der Gruppe mit geringer Zügelung oder zu der Gruppe mit hoher Zügelung eingeteilt. In der ersten Phase des Experimentes bekamen die Teilnehmerinnen Milchshakes zur Geschmacksbeurteilung. Dabei wurden sie zu einer von 3 Versuchsbedingungen zugeteilt. In der ersten Bedingung bekamen die Teilnehmerinnen keinen Milchshake zur Beurteilung, in der zweiten einen Schokoladen- Milchshake zur Beurteilung und in der dritten zwei Milchshakes (Schokolade und Erdbeere) zur Beurteilung. In Phase zwei des Experimentes erhielten die Studienteilnehmerinnen die Möglichkeit, drei verschiedene Sorten Eis (Schokolade, Vanille, & Erdbeere) zu verkosten und bezüglich ihrer sensorischen Qualität zu bewerten. Die Teilnehmerinnen wurden dabei instruiert, so viel von dem Eis essen zu dürfen, wie sie mochten, auch nachdem sie alle Sorten probiert hatten.

In Wahrheit ermittelten die Forscher nicht die sensorische Qualität des Eises, sondern die gegessene Menge.”
 
Das, was du also beschreibst mit “bei mir muss es gleich die ganze Packung sein”, trifft also nicht nur dich, weil du zu schwach bist, sondern trifft so ziemlich die meisten Personen, die sich bestimmte Sachen verwehren. Es liegt also am “verzichten auf” oder “Reduzieren von”.
Buchkapitel aus dem Buch „Food Feelings“ von Cornelia Fiechtl
Unser Gehirn ist ganz schön kompliziert. Es mag immer das Gleiche, einfache Dinge und Struktur. Deshalb ist das mit dem Verzichten so super für uns. Und zu Beginn einer Diät mag es einfach erscheinen, sich an Regeln zu halten, aber mit der Zeit werden verbotene Lebensmittel nur umso verlockender! (In Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass selbst kurze Verbote (24 Stunden) von Lebensmitteln dazu führen, dass im Anschluss deutlich mehr von diesem Lebensmittel konsumiert wird (Soetens 2008).
Unser Gehirn hasst es schlichtweg eingeschränkt zu werden und wehrt sich mit allen Kräften. Und wenn es sich durchsetzt und wir zu Dingen greifen, dann führt oft zu einem Teufelskreis der Enthemmung, bei dem wir in ein übermäßiges Essen verfallen, weil “es eh schon egal ist”. Dieser Effekt kann selbst durch kleine Kalorienüberschreitungen ausgelöst werden und zeigt, wie fragil unsere Selbstkontrolle sein kann.
Das Absurde ist, auch wenn wir gar nicht wissen, ob wir “zu viel” gegessen haben. Alleine der Gedanke, dass es wieder zu viel war, führt zu dem “eh schon egal” Gedanken.
Mehr Gründe, warum das mit dem Zügeln nicht so ganz klappen möchte, findest du übrigens in meinem neuen E-Book “5 Gründe, warum Abnehmvorhaben scheitern”.
Kurz gesagt: Das Paradox der Zügelung zeigt uns, dass weniger manchmal tatsächlich mehr ist – aber nicht unbedingt auf die Weise, wie wir es uns vorstellen. Statt weniger Ausnahmen sollten wir eher weniger Verbote anstreben. Anstatt uns strikten Regeln zu unterwerfen, sollten wir vielleicht einen sanfteren Ansatz wählen, der unsere psychologischen Bedürfnisse berücksichtigt und uns nicht in einen endlosen Kampf mit unserem eigenen Verstand stürzt.
Das war für heute! Vielen Dank, dass du zugehört hast. Vergiss nicht, unseren Podcast zu abonnieren, um keine zukünftigen Folgen zu verpassen. Bis zum nächsten Mal – und denk dran, weniger is(s)t mehr!
Liebe Grüße Cornelia